Berlin, Berlin – Wir fahren nach Berlin!

Europa – laut griechischer Mythologie eine Königstochter, die durch ein Stelldichein mit dem großen Zeus zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Europa – für mich meine Heimat, so wie für die meisten Menschen die ich kenne auch. Für die Asiaten ist Europa der kleine westliche Wurmfortsatz des eigenen Kontinents, für die Australier ist es der Ort, an dem alle wie Idioten auf dem Kopf falsch herum auf der Erde herumlaufen.

Europa – aus unserer Sicht präsent und geliebt. Doch wie sehen uns unsere amerikanischen Freunde? So verschieden sind wir nämlich gar nicht. Okay, unsere Währung ist wesentlich stärker und unsere Kinder sind weniger fett – aber sonst ähneln wir uns doch ziemlich. Man muss doch nur mal den Fernseher anschalten. Und auch unsere Sprache driftet immer mehr in Anglizismen ab. Zwar haben wir mit den Engländern unsere eignen Englisch-Sprecher, aber geprägt wurden wir aus Richtung Westen. Doch – was wir, Europa, für die Amerikaner sind – diese Frage ist immer noch nicht beantwortet. Wir Deutschen – wir teilen uns auf zwei Gruppen auf, Nazis und Bayern. Die Franzosen essen Frösche und die Engländer trinken Tee und werden von einer Frau kommandiert. Schotten tragen Röcke und Spanier sind sowas wie unbewaffnete Mexikaner. Die Schweiz hält sich aus allem raus und die Italiener sind alle Mafiosi oder Pizzabäcker – oder beides. Ja, und Schwedinnen – Boojakah! Schwedinnen sind heiß. Das ist Europa. Zumindest ist das Europa, wie Amerika es sieht. Zwar schon irgendwie zivilisiert, aber irgendwie alle ein bisschen komisch – halt keine Amerikaner.

Lang genug geschwafelt, spannen wir endlich den Bogen zu World Wrestling Entertainment, einem Unternehmen, das gemäß Firmenbezeichnung den Weltmarkt beliefert. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, strahlt man die Shows in zig Ländern auf allen Kontinenten aus, veranstaltet Touren quer über den Globus und integriert immer mal wieder Stars in die Shows, die laut der Klischees der amerikanischen Köpfe die jeweiligen Staaten bestens repräsentieren. 1997 – zur Zeit der großen Geschichten bot man seinen Freunden aus Europa einen ganz besonderen Service zur Identifikation und zollte den Fans des fernen Kontinents dadurch Tribut, dass man sein reges Titelrepertoir um einen Gürtel namens „WWE European Championship“ erweiterte. Man hatte bereits einen World Heavyweight Title (-> Großer Champion der Welt), World Tag Team Titles (-> Große Tag Team Champions der Welt) und einen Intercontinental Title (-> Großer Champion aller Kontinente, wobei, wo ist da jetzt eigentlich der Unterschied zur „Welt“… Naja, egal). Was anfangs echt nett gemeint war und mit den nötigen Namen einen tollen Start erfuhr, bewies am Ende nur einmal mehr, welchen Stellenwert die Welt außerhalb Amerikas für Amerika besitzt.

Fünf Jahre alt wurde der European Title bei World Wrestling Entertainment. Fünf Jahre, in denen er seinen Dienst erfüllte, indem er Mid- und Lowercarder eine Plattform bot. Er band Männer in Geschichten, die sonst vermutlich nie Teil einer solchen gewesen wären und band Gold um die Hüfte von Männern, die sonst vermutlich nie Solches besessen hätten. Der Wert des Gürtels sank mit jeder Woche seiner Lebensdauer – und doch war er immer umgeben von lustigen Figuren, guten Kämpfen und abstrusen Konstellationen. Am Ende musste der European Title dem Unification-Wahn der Post-Invasion-Zeit weichen, doch heute, mit dem nötigen Abstand von fünf Jahren schaue ich schon wieder ein wenig wehmütig auf die Zeit der 1000 Gürtel zurück, in der jeder Mal Champion sein durfte. Weiß Gott – ich wünsch mir diese Zeit nicht ins Jahr 2007 und will auch die begrabenen Gürtel nicht wieder sehen – aber schön war es trotzdem. Und dieses nehme ich zum Anlass, 10 Jahre nach der Einführung auf den wohl belanglosesten Gürtel der Geschichte von World Wrestling Entertainment zurückzublicken. Das ist Europa.

Wir – die Deutschen – waren es, denen die große Ehre zu Teil wurde, das Turnier um den neu eingeführten Gürtel auszurichten. Im Februar 1997 tourte die World Wrestling Federation durch Deutschland und sollte am 26.02.1997 sein Finale in der Hauptstadt finden. Auf die komplette Tour verteilt kämpften Männer in einem Turnier, deren Namen sich heute wie die Creme de la Creme der Wrestlingzunft lesen. Vader, Mick Foley, Owen und Bret Hart, der British Bulldog, Triple H und the Rock. Das ließt sich so unheimlich flüssig, dass selbst der Name des achten Teilnehmers, Flash Funk, der Tatsache einer großartigen Besetzung keinerlei Abbruch geben kann. Innerhalb von nur einer Woche stand schließlich das Finale fest und für Owen Hart und den British Bulldog sollte es heißen „Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“ – zum Finale. Ein Kanadier und der einzige Europäer im Turnier kämpften das neue Gold also untereinander aus. Wirklich geschockt war die Wrestlingwelt also nicht, als Davey Boy Smith am Ende eines tollen Kampfes zum ersten Träger des European Title wurde.


Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!